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Buchempfehlung

Rezension über das Buch „Mediation und Kooperation in der Bau- und Immobilienbranche – Wie gute Zusammenarbeit gelingt“, herausgegeben von Susanne Seidel und Sylvia Kupers, erschienen im Fraunhofer IRB-Verlag

von
Regina Bohla MSc FRICSWirtschaftsmediatorin (D*A*CH)
MSc Kommunikations- und Betriebspsychologie
Akademiedirektorin Hamburg der ADI Akademie der Immobilienwirtschaft GmbH

In ihrem Ende Juni 2020 erschienenen Buch „Mediation und Kooperation in der Bau und Immobilienbranche – Wie gute Zusammenarbeit gelingt“ lassen Susanne Seidel und Sylvia Kupers, beides Mediatorinnen in der Bau- und Immobilienwirtschaft, als Herausgeberinnen des Titels zahlreiche Autorinnen und Autoren zu Wort kommen, die sich bereits seit vielen Jahren mit der Kommunikation, Konfliktlösung und der Kooperation in diesem sehr konfliktträchtigen Wirtschaftsbereich auseinandersetzen. – Seidel, Architektin und Ingenieurin, hat aus ihrer Tätigkeit im Bereich der Planungs- und Projektmediation selbst tiefe Einblicke in den herausfordernden Alltag der Baubranche, während Kupers im Bereich der Immobilienwirtschaft durch Führungstätigkeiten ebenfalls mit allen Bereichen der Kommunikation seit Jahren konfrontiert ist. – Mit diesen speziellen Erkenntnissen im Rücken ist es das Ziel der Herausgeberinnen, die Mediation als Mittel der außergerichtlichen Streitbeilegung genauso wie die mediative Kommunikation zur Konfliktprävention für die Bau- und Immobilienwirtschaft einmal mehr als lohnenswertes Instrument bekannter zu machen und den Einsatz in der Branche weiter zu fördern.

Der Leser erhält mit diesem Buch Einblicke in unterschiedlichste Konfliktkonstellationen bzw. kommunikativ herausfordernde Praxisfälle, wobei die Autorinnen und Autoren nicht etwa theoretisch bleiben, sondern uns an konkreten Fällen aus Ihrer beruflichen Praxis teilhaben lassen. Über allen Ansätzen steht dabei das Oberziel der Konfliktvermeidung, da dieses einfacher umzusetzen ist als eine Konfliktlösung eines hocheskalierten Falles.

Dabei wird der Leser sowohl mit altbekannten aber immer wieder hoch aktuellen Theorien aus dem Bereich der Konflikttheorie von Glasl (Stufen der Konflikteskalation) oder Freud bzw. Langmaack (Eisberg-Modell) oder der Kommunikationspsychologie nach Schulz von Thun bekannt gemacht als auch mit ganz aktuellen Anwendungen aus der Bau- und Immobilienindustrie. – So wird deutlich, dass Instrumente des Projektmanagements aus anderen Wirtschaftszweigen nicht immer auf die Bauwirtschaft übertragbar sind, da Bauprojekte eine lange Realisierungsdauer haben und nach dem ersten Spatenstich auch nicht mehr reversibel sind. Die am Projekt Beteiligten brauchen somit Mittel und Wege, das daraus entstehende Konfliktpotential gemeinsam zu bewältigen, um dann künftig bei neuen Fällen weiter zusammenarbeiten zu können. Das Buch zeigt auf, wie Mediation bzw. mediative Elemente in der Kommunikation diesen Prozess unterstützen bzw. voranbringen können.

Es beleuchtet aber auch die Möglichkeiten von gerichtlichen Mediationen, die als sinnvolle Alternative zu einem gerichtlichen Vergleich, aus der die Beteiligten zumeist alle als Verlierer hervorgehen, vermehrt zum Einsatz kommen sollte und informiert dabei auch über die historischen Ursprünge der außergerichtlichen Streitbeilegung. Ein Überblick über die Grundprinzipien der Mediation und deren rechtliche Verankerung sowie Abgrenzung zur anwaltlichen Tätigkeit runden das Bild ab.

Dass der Mediator dabei nicht nur in der Lage ist, die außergerichtliche Streitbeilegung zu steuern, sondern auch der richtige Partner für präventive Kommunikationsarbeit ist, wird im Zusammenhang mit der Entwicklung moderner Unternehmenskommunikation aufgezeigt. Getreu dem Motto „Der Fisch stinkt vom Kopf her“ wird die Erarbeitung eines Unternehmensleitbildes, welches insbesondere von der Führungsetage vorgelebt werden muss, mit mediativen Elementen aufgezeigt. Mission Statement und Mindfulness sind dabei nur zwei von mehreren Stichworten. Die Sinnhaftigkeit von Thinking Circles auch für gestandene Unternehmerpersönlichkeiten genauso wie dynamic Facilitation runden das Bild der Vorgehensweise ab. Dass die Durchführung solcher kooperativen Verfahren bei KMU, die das deutsche Baugewerbe beherrschen, keine Tradition hat, wird dabei klar und daher die Sinnhaftigkeit und auch staatliche Fördermöglichkeiten von beteiligungsorientierten Beratungsansätzen herausgearbeitet. – Partizipation der Beschäftigten an solchen Prozessen ist dabei ein enorm wichtiger Aspekt genauso wie die Gestaltung dieser durch externe Mediatoren, da sich bei einer firmeninternen Steuerung solcher Prozesse der Mediator permanent in einem Rollenkonflikt wiederfinden würde.

Sehr deutlich wird aufgezeigt, wo die Ursachen der Konfliktträchtigkeit in der Bau- und Immobilienwirtschaft liegen: Projektbeteiligte sind Profis am Bau aber nicht in der Kommunikation, Auftraggeber und Auftragnehmer sprechen keine einheitliche Sprache und die Komplexität der Abläufe ist im Laufe der Jahre immer höher geworden. – Diese Gesamtsituation von einem Mediator begleiten zu lassen und dadurch wertvolle Ressourcen zu schonen wird anhand von konkreten Beispielfällen aufgezeigt. Mediation wird somit zum Facilitator, zum Ermöglicher eines positiven Projektverlaufes.

Wie Kommunikation im Changeprozess gestaltet werden sollte, dem widmet sich ein eigenes Kapitel. Dass dabei organisch, also von innen heraus, gearbeitet werden muss, zeigt ein partizipativer Ansatz, der durch einen Begleiter von außen gesteuert wird, auf. In einem Bottom-up Prozess werden parallel zu einem Top-Down-Verfahren gemeinsam die Leitplanken für das Bauprojekt festgelegt, bei dem der Prozessbegleiter / Mediator für einen kontinuierlichen Austausch sorgt. Wie diese Kollaboration gelingt zeigt das Kapitel dezidiert auf.

Sehr aufschlussreich ist der Blick hinter die Kulissen von erfolgreich durchgeführten Baumediationen, wird doch deutlich, dass, um es möglichst praxistauglich und wenig konfrontativ bei hocheskalierten Fällen durchzuführen, auch hier Shuttle-Mediationen Einzug in die Praxis gefunden haben. – Beeindruckend ebenfalls, wie aus einem bereits rechtshängigen und sehr komplexen Fall, dem eine jahrelange rechtliche Befassung drohte, durch eine Mediation in wenigen Monaten eine gütliche Einigung herbeigeführt werden kann. – Immer wieder wird bei der Lektüre des Buches – und so auch in diesem Kontext– deutlich, dass die Interessen und Bedürfnisse hinter den Positionen und damit auch die emotionale Seite der Beteiligten auch in diesem Geschäftsfeld eine essentielle Rolle spielen. Die rein justitiable Herangehensweise an Baukonflikte oder Immobilientransaktionen kann dabei nicht zu einem guten Ergebnis führen, dieses ist der Mediation vorbehalten.

Auch das Konfliktpotential im Rahmen von Unternehmens(teil)verkäufen ist Gegenstand eines Abschnittes in diesem Fachbuch. Wie professionelle Transaktionsberater diesen Prozess positiv beeinflussen können und mit welchen Problemfeldern insgesamt zu rechnen ist, wird geschildert. Die Kompetenz von Mediatoren im Bereich der Gruppenmediation darf hier nicht fehlen. – Dass Mediation auch in Konfliktsituationen mit der öffentlichen Verwaltung hilfreich sein kann und zur Entscheidungsvorbereitung für die politischen Gremien eingesetzt wird, wird ebenfalls beschrieben, was somit diejenigen Kritiker von Mediation widerlegt, die behaupten, das Mediation mit der öffentlichen Hand nicht durchführbar sei.

Sehr konkret wird es in einem weiteren Abschnitt des Buches in dem mit „(in)teamconcept“ ein Instrumentarium vorgestellt wird, mit welchem die belastenden Folgen der Preisfindung zwischen Besteller und Ausführenden in der Bauwirtschaft, des dann häufig folgenden zermürbenden Claim-Managements und im Späteren der gerichtlichen Mängelverfolgung professionell eingedämmt werden kann. Das gemeinsame Verantwortungsgefühl für das Gelingen des Projektes, was durch inteamconcept implementiert wird, wird bereits von großen Baubeteiligten wie Strabag / Züblin in die Tat umgesetzt und damit erhebliches Konfliktpotential vermieden.

In einem Plädoyer für die Mediation wird am Schluss des Buches auch noch einmal herausgearbeitet, warum es immer von Vorteil ist, mit externen Mediatoren zusammenzuarbeiten. Denn nur auf diesem Weg kann die geforderte Allparteilichkeit und „Äquidistanz“, also die gleichwertige Distanz zu allen Beteiligten – wie sie von einer der Mitautorinnen genannt wird – tatsächlich umgesetzt werden. – Dass die Chemie zwischen den beteiligten Parteien und dem Mediator stimmen muss, wird ebenfalls noch einmal unterstrichen, da Mediation ein „People Business“ ist, wie die Herausgeberinnen betonen.

Mit seinen zahlreichen Facetten stellt diese Neuerscheinung einen sehr guten und aktuellen Überblick über Einsatzmöglichkeiten von Mediation und mediativer Kommunikation in der Bau- und Immobilienwirtschaft dar. Die Sinnhaftigkeit von Mediation für diesen Wirtschaftszweig wird unterstrichen, da  in diesem konfliktträchtigen Umfeld Lösungsversuche vor Gericht für alle Beteiligten fast immer unbefriedigend ausfallen. Somit eine wertvolle Ergänzung der Fachliteratur, die für alle Beteiligten in der Bau- und Immobilienwirtschaft sehr zur Lektüre zu empfehlen ist.